28.03.2019

Logistik statt Mathematik: Diese Entscheidung traf Marvin Thölken nicht ganz freiwillig. Trotz Spaß am Fach musste er nach einer nicht bestandenen Prüfung das Mathestudium aufgeben – gefühlt ein echter Tiefschlag für Thölken. Dank Freunden, Familie und gezielter Beratung seiner ehemaligen Uni ist er nun auf dem Weg in seinen zukünftigen Beruf als Speditionskaufmann.

Wie verlief Ihr Weg ins Studium?

Nach dem Abitur sind viele Abiturienten noch unschlüssig und ratlos bezüglich ihres weiteren Werdeganges. Genau das war bei mir auch der Fall. Sehr gute Noten, Spaß am Lernen sowie eine Empfehlung meines Lehrers brachten mich dann zum Mathematik-Studium.

 

Was hat Sie an Ihrem Studienfach gereizt?

Neben den zahlreichen Karrieremöglichkeiten nach dem Studium waren es vor allem das logische Denken sowie der Umgang mit komplexen Zusammenhängen, was mich interessiert und gleichzeitig gereizt hat. Neue Facetten der Mathematik kennenzulernen; an Finanzen und Versicherungen angewandte Beispiele zu bearbeiten. Das waren meine Erwartungen vor dem Studienbeginn.

 

Woran haben Sie gemerkt, dass Sie mit Ihrem Studium hadern?

In einigen Vorlesungen bin ich nicht mehr mitgekommen, da wir in kurzer Zeit sehr viel Vorlesungsstoff behandelt haben, der für mich immer unübersichtlicher wurde. Die ergänzenden Übungen konnte ich entsprechend immer weniger bearbeiten und hatte so auch Probleme in den Prüfungen.  Die daraus resultierenden Misserfolge führten bei mir zunehmend zu einer gewissen Motivations- und Antriebslosigkeit.

 

Was hat Ihnen bei der Entscheidung, aus dem Studium auszusteigen, geholfen?

Die Entscheidung wurde mir formal gesehen abgenommen, da ich eine Prüfung auch beim wiederholten Versuch nicht bestanden habe. Dies bedeutete zumindest das Ende meines Mathematik-Studiums und hat mich im Weiteren dazu gebracht, meine Fühler in andere Richtungen ausstrecken zu müssen, bzw. zu überlegen, was ich nun mit meinem beruflichen Leben anfange. Das war zunächst sehr schwer für mich.

 

Was waren für Sie die wichtigsten Erfahrungen aus der Zeit des Studienzweifels und Studienausstiegs?

Nach einem solchen Umbruch fiel ich in ein Loch. Ein Gefühl der Leere: Plötzlich war nichts mehr zu tun, die Zukunft ungewiss. Meine neu gewonnene Zeit füllte ich mit Sport und war so ständig unterwegs, um Ablenkung zu finden. Am wichtigsten für mich war in dieser Zeit der Kontakt zu meinen Eltern und meiner Freundin, die mich durch diese schwierige Phase begleitet haben. Sie holten mich aus meinem Tief heraus und halfen mir, die richtige Entscheidung für meine berufliche Laufbahn zu fällen. Außerdem stärkten Sie mir den Rücken für die weiteren Schritte, wie Bewerbung und Vorstellungsgespräch. Ohne sie hätte ich den Übergang nicht so schnell und gut geschafft.

 

Wie haben Sie den Weg in Ihre Ausbildung bzw. Ihren zukünftigen Beruf gefunden?

Die Leibniz Universität bietet eine zentrale Studienberatung an. Durch diese bin ich auf das Programm „Umsteigen statt Aussteigen“ der Region Hannover aufmerksam geworden. Dieses Programm zielt darauf ab, Studienabbrecher über Ausbildungen zu informieren und Kontakte mit Unternehmen herzustellen. Dort wurde mein persönlicher Fall aufgenommen und mit mir zusammen erarbeitet, welche Ausbildungen interessant für mich sind. Anfang August bekam ich dann ein Angebot zu einer Ausbildung als Speditionskaufmann bei der Niederlassung Hellmann Worldwide Logistics in Lehrte. Nach einer kurzfristigen Bewerbung und anschließendem Vorstellungsgespräch bekam ich die Zusage und war zwei Wochen später schon in der ersten Abteilung.

 

Wie sieht Ihr zukünftiger Beruf aus – und wie die Ausbildung?

Als Speditionskaufmann werden Kundenanfragen geklärt, Routen geplant und der gesamte Weg der Ware vom Absender bis zum Empfänger betreut. Allerdings beinhaltet der Beruf auch Teile der Rechnungslegung, den Umgang mit Gefahrgut und natürlich mit den allgemeinbekannten Bürotätigkeiten. In der Ausbildung durchläuft jeder Auszubildende mehrere Abteilungen, etwa drei bis fünf Monate jeweils. Aktuell bin ich im Kurier Express Dienst. Ware wird hier über Nacht zugestellt und wird entsprechend in weniger als 24 Stunden vom Absender zum Empfänger geliefert. Ich arbeite viel mit Kundenanfragen, Tourenberichten und Systemerfassungen. Andere Abteilungen bei Hellmann, die ich noch durchlaufen kann, sind zum Beispiel die Abfertigung, Rechnungslegung oder Luftfracht.

 

Was schätzen Sie an der Ausbildung – auch im Vergleich zu Ihrem Studium?

Der größte und mir wichtigste Unterschied zum Studium ist der ständige Praxisbezug. Tatsächlich etwas Produktives zu unternehmen; Aufgaben, mit denen ich im wahrsten Sinne des Wortes etwas bewege. In meinem Studium ging es ausschließlich um Theorien, wobei sich mir die Anwendbarkeit in der Praxis nicht erschlossen hat.

Außerdem schätze ich die Unterstützung meiner Kollegen. Bei Fragen aller Art gibt es stets Hilfe und Erklärungen, sodass ich sehr schnell immer unabhängiger arbeiten kann.

 

Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft?

Einerseits wünsche ich mir, das Unternehmen in möglichst vielen Facetten kennenzulernen und somit ein detailliertes Verständnis der vielseitigen Logistikdienstleistungen, die wir anbieten, zu bekommen. Anderseits geht es mir aber genauso um ein kollegiales Miteinander, die Unterstützung vom Arbeitgeber und Perspektiven durch Weiterbildungsmöglichkeiten, sodass sich meine Aufgabenfelder vergrößern sowie immer mehr Verantwortung übernehmen kann.

 

Welche beruflichen Karriereperspektiven bietet die Ausbildung bzw. der Beruf?

Logistik wird überall benötigt: Lebensmittel im Supermarkt, Zeitungen am Kiosk oder Ersatzteile für die Industrie – alle müssen von A nach B transportiert werden, um pünktlich und möglichst unbeschädigt am Einsatzort verfügbar zu sein. So spielt eine reibungslose Logistik – wenn auch eher im Hintergrund – eine zentrale Rolle in unserer heutigen Gesellschaft. Karriereperspektiven gibt es viele, da neues Wissen durch Weiterbildungen ergänzt werden kann. Der technische Fortschritt im Zeitalter der Industrie 4.0 bietet beispielsweise mit der Digitalisierung ebenfalls Perspektiven, die aktuell noch gar nicht zu erahnen sind. Die Logistikbranche befindet sich im Wachstum und somit bietet diese eine Zukunft, in der vielseitige und interessante Berufe bereits existieren und kurz- bis mittelfristig noch entstehen werden. Daher bin ich mir sicher, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe und sich mir in diesem breiten Feld noch viele Perspektiven bieten.

 

Was sollten Menschen, die sich für das Berufsbild Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung interessieren, mitbringen?

Zunächst muss natürlich Interesse an einem kaufmännischen Beruf vorhanden sein. Neben der überwiegenden Bürotätigkeit sollte man aber auch offen sein für kleinere Einsätze im Lager. Spaß an der Organisation von Belieferungstouren, Interesse an Flug-, Schiffs- und Schienenverkehr (aber wer mochte als Kind denn keine großen Schiffe, Laster oder Flugzeuge?) und Flexibilität den vielen Bereichen gegenüber, die ein Logistikunternehmen bietet. Außerdem ist natürlich der Umgang mit Kunden ein zentrales Thema, sodass der Umgang mit Menschen hier eine wichtige Rolle spielt und man schon Spaß am Kundenkontakt haben muss.

 

Im Rückblick: Welchen Rat würden Sie Menschen mit Studienzweifeln mit auf den Weg geben?

Auf jeden Fall sollte man offen damit umgehen: Mit anderen darüber sprechen und gemeinsam darüber nachdenken, ob ein Studium das Richtige ist. Man kann nichts erzwingen, was nicht sein soll. Vor einem Abbruch sollte man jedoch auch Nachhilfe oder eine Umorientierung zu einem anderen oder auch einem dualen Studiengang in Betracht ziehen. So sollte man also nicht direkt aufgeben, sich aber ernsthafte Gedanken dazu machen, welche Alternativen in Frage kämen. Denn: Wer nur halbherzig bei der Sache ist, macht es in den meisten Fällen auch nicht gut…

 

Gibt es noch etwas, das Sie ergänzen möchten? Sehr gern – Schreiben Sie drauflos:

Heutzutage studieren sehr viele Abiturienten. Ausbildungen werden oft als weniger attraktiv angesehen und ein Studium als notwendig, wenn eine erfolgreiche Zukunft angestrebt wird. Dies führt dazu, dass Ausbildungsplätze schwieriger zu vergeben sind, während die Hörsäle sehr überlaufen sind.

Letztendlich sind aber auch in Ausbildungsberufen viele Weiterbildungen möglich, wodurch Erfolg im gleichen Maßen gegeben sein kann. Daher bin ich davon überzeugt, dass mit der richtigen Einstellung eine Ausbildung also zu einer vergleichbar erfolgreichen Karriere führen kann wie ein Studium.

Und Zuletzt: Auch, wenn ich mein Studium nicht ganz freiwillig aufgegeben habe, war dies in der Rückschau für mich genau der richtige Schritt: So schätze ich meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit einer gut abgeschlossenen Ausbildung besser ein als mit einem auch nur durchschnittlich oder gar schlecht abgeschnittenen Studium.