Ausbildung und Corona: Brücken bauen für Azubis

Hamburg sichert jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben. Um einen möglichen durch Corona bedingten Stellen- und Bewerbereinbruch auf dem Ausbildungsmarkt abzufedern, ergreifen die Partner der beruflichen Bildung umfassende Maßnahmen.

Dazu zählt besonders der Ausbau der Beratungsangebote, unter anderem in der morgen beginnenden „Woche der Ausbildung“. Sie bietet zahlreiche Webinare und Trainings. Insgesamt bieten sich den Bewerberinnen und Bewerbern viele Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Die Kammern und die Agentur für Arbeit beobachten jedoch, dass sich der Bewerbungs- und Auswahlprozess für Ausbildungsplätze durch den Lockdown in diesem Jahr verzögert. Sie appellieren an die Unternehmen, weiterhin Ausbildungsplätze anzubieten, um jungen Menschen eine berufliche Zukunft zu ermöglichen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Jugendlichen, die trotz Bewerbung keinen Ausbildungsplatz finden, baut die Freie und Hansestadt verstärkt Brücken ins Arbeitsleben. In der Ausbildungsvorbereitung AvDual für noch schulpflichtige Jugendliche werden die berufsbildenden Schulen ihre Kapazitäten um rund 700 Plätze erweitern. Zudem besteht in der Ausbildungsvorbereitungsklassen die Möglichkeit, die Schulzeit um bis zu sechs Monate zu verlängern und Prüfungen nachzuholen. In der Berufsqualifizierung (BQ) mit Ausbildungsplatzgarantie können im Jahr 2020 insgesamt 600 Plätze an den berufsbildenden Schulen belegt werden, 350 mehr als bislang. Die Berufsqualifizierung hilft Jugendlichen, die sich bereits für einen Beruf entschieden und erfolglos um eine Ausbildungsstelle beworben haben. Sie können mittels BQ das erste Ausbildungsjahr an einer berufsbildenden Schule in Kooperation mit einem Be-trieb absolvieren und im Anschluss in eine Ausbildung übergehen.

Clip zur Ausbildungssituation in Hamburg

https://youtu.be/8nuaqZGPRUI

Ties Rabe, Senator der Behörde für Schule und Berufsbildung: „Junge Menschen sollen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Beruf wählen können, der ihren Fähigkeiten entspricht. Jede und jeder wird gebraucht und kann mit einer Ausbildung erfolgreich durchstarten. Deshalb baut Hamburg seinen Berufsstarterinnen und -startern Brücken ins Arbeitsleben. Falls ihre Bewerbung für den gewählten Ausbildungsberuf ins Leere läuft, greifen die berufsqualifizierenden Angebote der berufsbildenden Schulen. Sie bieten eine Ausbildungsplatzgarantie: Die Jugendlichen können laufend in ein reguläres Ausbildungsverhältnis wechseln. Damit sichern wir jungen Menschen einen erfolgreichen Einstieg und helfen den Betrieben, weiterhin ihren künftigen Bedarf an Fachkräften zu decken.“

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann: „Neben den Unternehmerinnen und Unternehmern sind die Auszubildenden diejenigen, die unsere starke Wirtschaft mit am Laufen halten und damit zur Steigerung der Kauf- und Wirtschaftskraft in Hamburg beitragen. Viele Unternehmen fühlen sich unsicher, wie es nach den wirtschaftlichen Beschränkungen weitergeht – auch in ihrer Möglichkeit auszubilden. Um die unsichere Lage von Unternehmen temporär abzufangen, haben wir zum Beispiel die Hamburger Corona Soforthilfe, dem Hamburg-Kredit Liquidität oder das Modul für Innovative Startups ins Leben gerufen. Ich hoffe sehr, dass wir damit bei den Unternehmen ein wenig zur Erleichterung beigetragen haben und appelliere an sie, auch in der schwierigen Zeit die Fachkräfte von morgen auszubilden.“

Arbeitssenatorin Dr. Melanie Leonhard: „Wer jetzt keine Ausbildung anfängt, fehlt in einigen Jahren als Fachkraft auf dem Arbeitsmarkt. Ausbildungsplätze, die nicht zur Verfügung stehen, sind nicht nur eine Leerstelle in den Biografien junger Menschen, sondern ein echtes Problem für uns alle. Deswegen sorgen wir mit dem Bund dafür, dass Betriebe eine Prämie erhalten, die Ausbildungsplätze sichern. Außerdem machen wir alternative Angebote für diejenigen, die dennoch keinen Betrieb finden. Unternehmen, die voraus-denken, begreifen die duale Ausbildung als Chance und Investition in die Zukunft. Auch in diesen Zeiten sollten alle Beteiligten daran festhalten.“

Schulen bauen Brücken in den Ausbildungsmarkt
Die Berufsqualifizierung im Hamburger Ausbildungsmodell (BQ) ist ein Ausbildungsangebot der berufsbildenden Schulen in Kooperation mit Betrieben und deckt das erste Ausbildungsjahr in dem jeweiligen Beruf vollständig ab. Im Anschluss an das erfolgreich absolvierte BQ-Jahr können die jungen Menschen entweder in eine duale Berufsausbildung in einem Betrieb übergehen. Oder sie setzen ihre Ausbildung – sofern kein betrieblicher Ausbildungsvertrag abgeschlossen werden konnte – trägergestützt mit einem Ausbildungsvertrag fort. Im Schnitt waren in den vergangenen Jahren rund 250 BQ-Plätze belegt. 2020 wird Hamburg aufgrund der Corona-Pandemie und den dadurch möglicherweise wegfallenden Ausbildungsplätzen die Zahl der BQ-Plätze um 350 auf dann insgesamt 600 erhöhen. Bisher konnten rund 50 Ausbildungsberufe angewählt werden, auch dieses Angebot soll nochmals erweitert werden.

Für noch schulpflichtige Jugendliche, die nach Verlassen der allgemeinbildenden Schulen noch weitere Begleitung und Unterstützung auf ihrem Weg in den Beruf brauchen, werden die berufsbildenden Schulen auch ihre Kapazitäten in der Ausbildungsvorbereitung (AvDual) erweitern. AvDual besuchen noch schul-pflichtige Jugendliche, die jedoch beruflich noch nicht orientiert sind. Schulische Mentoren begleiten sie intensiv beim Übergang in Ausbildung.

Auf einen gelungen Berufseinstieg bereiten in Hamburg zudem die Praxisklassen an den Stadtteilschulen vor. Die Schülerinnen und Schüler der Praxisklassen lernen an zwei Tagen im Betrieb und an drei Tagen in der Schule. Das ermöglicht den Betrieben in Kooperation mit den Schulen, dringend benötigte Nachwuchskräfte zu gewinnen. Über einen längeren Praktikumszeitraum lernt der Betrieb einen Schüler näher kennen. Gleichzeitig merken Jugendliche, was in ihrem Wunschberuf gebraucht wird und übernehmen in der Folge verstärkt Verantwortung für das eigene Lernen. Damit ist die Praxisklasse auch für Schülerinnen und Schüler attraktiv, die eine höherwertigere Ausbildung beispielsweise in den MINT-Berufen im Blick haben.

An den vollqualifizierenden Berufsfachschulen werden unterschiedliche Berufe wie zum Beispiel Uhrmacher oder Sozialpädagogische Assistenz auch vollschulisch ausgebildet. Hierfür und für alle weiteren vollschulischen Bildungsangebote wie Höhere Handelsschulen, Höhere Technikschulen, Berufliche Gymnasien oder Fachschulen sind in diesem Jahr die Anmeldefristen bis zum 15. Juni verlängert.

Beratung und Orientierung für Bewerberinnen und Bewerber
Um den passenden Beruf zu finden, benötigen Jugendliche Beratung und Orientierung. Viele Angebote konnten sie in den vergangenen Wochen aufgrund der Corona-Pandemie nicht wahrnehmen. Die Jugendberufsagentur steht auch jetzt jungen Hamburgerinnen und Hamburgern rund um das Thema Beruf und Ausbildung zur Verfügung (Kontakt siehe www.jba-hamburg.de). Momentan erreichen Interessierte die Standorte in den Hamburger Bezirken per Kontaktformular über die Homepage und per E-Mail oder Telefon. Schülerinnen und Schüler mit Beratungsbedarf können zudem an ihrer Schule nachfragen, wie die Jugendberufsagentur derzeit individuell vor Ort erreichbar ist.

Zusätzlich verstärken insbesondere die Arbeitsagentur Hamburg und auch die Kammern jetzt nochmals ihre Unterstützungsmaßnahmen.

Sönke Fock, Vorsitzender der Geschäftsführung Agentur für Arbeit Hamburg: „Unser erstes Ziel ist die direkte Vermittlung von Bewerberinnen und Bewerber in eine gewünschte und realisierbare Berufsausbildung. Dafür stehen die Chancen in Hamburg Anfang Juni durchaus noch gut, denn unsere Ausbildungsvermittlung bietet aktuell 4.770 freie Ausbildungsstellen an. Damit haben uns Hamburger Betriebe derzeit zwar etwa 10 Prozent weniger Stellen gemeldet, aber es sind aktuell etwa im gleichen Umfang (3.963 gemeldete Bewerber) auch weniger Jugendliche an einer betrieblichen Ausbildung interessiert. Für jeden Schulabschluss gibt es derzeit aber passende Ausbildungsangebote. Schülerinnen und Schüler werden von unseren Berufsberaterinnen und Berufsberatern sowie den Beratungskräften der Schulen mit allen Informationen und wertvollen Tipps versorgt. Ausbildungsinteressierte sollten dieses Angebot unbedingt nutzen. Weiterhin werden wir in den nächsten Wochen aktiv Ausbildungssuchende kontaktieren, um den Berufswahlprozess zu unterstützen, zusätzlich ist eine Hotline (040 2485 1188) eingerichtet. Unternehmen und Ausbildungsbetriebe empfehle ich, keine Abstriche beim Thema Berufsausbildung zu machen, soweit es die betriebliche Situation zulässt. Fachkräfte sind trotz der aktuellen Situation Mangelware, in den nächsten Jahren gehen zudem über 170.000 Fach- und Führungskräfte in den Ruhestand. Unser Team AzubiPlus unterstützt Unternehmen bei der Suche nach passenden Bewerberinnen und Bewerbern, um alle Ausbildungsstellen zu besetzen.“

Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg: „Die Coronakrise darf nicht zu einer Krise auf dem Ausbildungsmarkt führen. Um Unternehmen bei der Besetzung freier Plätze zu unterstützen, setzen wir uns für eine Verlängerung des Ausbildungsstarts ein. Zusätzlich bauen wir Beratungs- und Vermittlungsangebote aus: Im Juni starten wir die ‚Woche der Ausbildung‘ mit Webinaren, Berufsorientierungs- und Bewerbungstests. Im Herbst werden weitere neue Vermittlungsformate folgen. Auch die Stärkung der betrieblichen Einstiegsqualifizierung als hervorragendes Instrument, um den beruflichen Einstieg zu schaffen, unterstützen wir. Unternehmen müssen jetzt in die Zukunft schauen: Die Fachkräfte, die wir heute nicht ausbilden, werden uns schon bald fehlen.“

Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg: „Das Handwerk zeigt sich krisenfest. Wir sehen derzeit nicht, dass Betriebe Ausbildungsverträge vermehrt lösen. Für Sommer 2020 wird ein Großteil unserer Betriebe Ausbildungsplätze anbieten. Aber: Es gehen zu wenige Bewerbungen ein. Ich appelliere an Schüler, Lehrkräfte und Eltern, unsere Webinare und Online-Module zu Berufsorientierung und Bewerbung noch stärker zu nutzen! Wir bringen Schüler und Betriebe zusammen, sei es digital oder über unsere persönliche Telefon-Berufsberatung. Zudem aktualisieren wir laufend unsere Lehrstellenbörse. Sie weist weiterhin mehr als tausend freie Stellen auf! Im September soll es dann wieder eine persönliche Vermittlungsaktion als Azubi-Speed-Dating für alle geben, die bis zum klassischen Ausbildungsstart noch nichts gefunden haben. Das Handwerk bietet gute Perspektiven.“

Ausbildungsplätze erhalten – Fachkräfte sichern
Damit Bewerberinnen und Bewerbern der Einstieg ins Berufsleben gelingt, ist ein entsprechendes Angebot an Ausbildungs- und Praktikumsplätzen nötig. Die Arbeitgeberverbände bestärken deshalb die Betriebe trotz Krise in die Fachkräftesicherung der Zukunft zu investieren. Auch die Arbeitnehmervertretungen appellieren an die Priorisierung der dualen Berufsausbildung, um Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

UVNord-Präsident Uli Wachholtz appelliert an die Ausbildungsbetriebe: „Wir dürfen nicht nachlassen in der Ausbildungsleistung. Der Bedarf an Fachkräften wird nach Krisenzeiten zügig wieder auf ein sehr hohes Niveau anwachsen. Jugendliche, die wir in diesem Jahr nicht ausbilden, werden in naher Zukunft fehlen und unser Wirtschaftswachstum hemmen. Wir werden unsere über 35.000 Mitgliedsunternehmen in der Hansestadt aufrufen in den Ausbildungsanstrengungen trotz erheblicher pandemiebedingter Schwierigkeiten nicht müde zu werden. Die duale Ausbildung kann nur weiterhin ein Erfolgsmodell sein, wenn wir uns auch in schwierigen Zeiten der Verantwortung stellen. Schulabgängerinnen und -abgänger benötigen Perspektiven für den Übergang in die duale Ausbildung! Erfreulich ist, dass in der Stadt alle Akteure an einem Strang ziehen, damit die berufliche Bildung auf Zukunftskurs bleibt.“

Katja Karger, Vorsitzende des DGB Hamburg: „„Es liegt jetzt an allen Akteurinnen und Akteuren, dass das Ausbildungsjahr 2020 erfolgreich wird. Dafür brauchen wir auf allen Seiten viel Engagement und Verantwortungsbewusstsein für die junge Generation. Wo Unterstützung nötig ist, muss es sie auch geben. Für die betriebliche Ausbildung müssen alle Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden. Kein Jugendlicher und keine Jugendliche sollten zögern, sich auf einen Platz zu bewerben. Alle werden gebraucht. Aber auch die Betriebe dürfen ihr Engagement als Ausbildungsstätten nicht zurückfahren. Wir brauchen ein attraktives Angebot, Perspektiven und gute Bedingungen für die jungen Leute. Damit der Corona-Krise nicht die Fach-kräfte-Krise folgt.“

Woche der Ausbildung
Von Mittwoch, 10. Juni, bis Freitag, 19. Juni, bieten die Partner in der „Woche der Ausbildung“ umfangreiche Vermittlung und Beratung an. Sie zielen insbesondere auf Schülerinnen und Schüler, die bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die Jugendlichen können sich in Webinaren über die duale Ausbildung informieren oder telefonisch zum Beispiel zur Einstiegsqualifizierung beraten lassen. Online gibt es Berufsorientierungstests und Infostunden. Alle Angebote sind auf der Website der Jugendberufsagentur Hamburg (vgl. Linkliste).

Links

Pressemitteilung der Behörde für Schule und Berufsbildung

Pressemitteilung der Handwerkskammer

Live-Mitschnitt der Landespressekonferenz im Hamburger Rathaus 

Informationen zur Berufsqualifizierung