Reform soll jedem Jugendlichen eine Chance auf Ausbildung bieten
Bildungssenatorin Christa Goetsch hat am 10. August den ersten Jahresbericht des im Jahr 2007 gegründeten Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HIBB) vorgelegt und aus diesem Anlass den Stand der Reform der beruflichen Bildung dargestellt. „Eine gute Ausbildung legt die Grundlage für ein erfolgreiches, selbstbestimmtes und anerkanntes Leben – und gleichzeitig braucht Hamburg gut ausgebildete Fachkräfte. Unser Ziel ist deshalb, dass allen Hamburger Jugendlichen der Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung oder ein Studium gelingt und dass mehr Jugendliche höhere und bessere Bildungsabschlüsse erreichen“, sagt Christa Goetsch bei der Vorstellung. Die wichtigsten Neuerungen:
- Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen arbeiten zukünftig zusammen, um eine frühe, systematische und wirkungsvolle Berufsorientierung anzubieten.
- Die neue Ausbildungsvorbereitung richtet sich an Jugendliche, die noch nicht die notwendige Ausbildungsreife haben.
- Das Hamburger Ausbildungsmodell bietet Chancen für ausbildungsreife Jugendliche ohne Ausbildungsplatz.
- Der Erwerb höherer Bildungsabschlüsse in der dualen Ausbildung wird ermöglicht.
Einführung einer systematischen Berufs- und Studienorientierung Jede der 51 neuen Stadtteilschulen hat im letzten Jahr mit mindestens einer berufsbildenden Schule einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, um eine frühzeitige und systematische Berufs- und Studienorientierung einzuführen mit festen Ansprechpartnern für die einzelnen Schüler sowie einem individuellen Berufs- und Studienwegeplan. Die berufsbildenden Schulen setzen für diese neue Aufgabe insgesamt 28 Stellen ein. Seit Mai 2010 läuft ein Fortbildungs- und Unterstützungsangebot. Ab dem Schuljahr 2010/11 startet die Berufsorientierung in allen Abschlussklassen der Stadtteilschulen. Außerdem beginnt die Erprobung der Berufsorientierung in der 8. Klasse an sechs Schulen der Modellregionen Billstedt-Horn, Elbinseln und Lurup/Osdorf. Flächendeckend soll die neue Berufsorientierung ab der 8. Klasse mit dem Schuljahr 2011/12 eingeführt werden.
Anschlussorientierte Ausbildungsvorbereitung
Die neue ganztägige Ausbildungsvorbereitung (AV) richtet sich an nicht ausbildungsreife Jugendliche und startet ab August 2010 mit 96 Schülerinnen und Schülern in den berufsbildenden Schulen G 8 und G 12. Die Lerninhalte orientieren sich an den Rahmenbedingungen einer Ausbildung, in kooperierenden Betrieben werden begleitete Praktika abgeleistet. Für jede Einzelne und jeden Einzelnen wird nach Möglichkeiten des direkten Übergangs in die duale Ausbildung und der Anrechenbarkeit der AV-Zeit gesucht. Hierbei werden die positiven Erfahrungen aus dem „Sonderprogramm Ausbildung 2009“ des Senats genutzt.
Hamburger Ausbildungsmodell mit Berufsqualifizierung
Für schulpflichtige Jugendliche, die trotz Ausbildungsreife keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, ist das „Hamburger Ausbildungsmodell“ mit der Berufsqualifizierung (BQ) konzipiert worden. Die Ausbildung im ersten Jahr wird entsprechend den Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung. Die Ausbildung findet in der Schule und einem kooperierenden Betrieb oder in überbetrieblichen Ausbildungsstätten statt. Für die Pilotphase stehen ausreichend Plätze für begleitende Praktika in Hamburger Betrieben zur Verfügung. Ziel ist es, dass die Jugendlichen von den Betrieben in die duale Ausbildung übernommen werden. Die BQ wird ab August 2010 für die beiden Ausbildungsberufe Restaurantfachfrau/-mann und Metallbauer/in an der Staatlichen Gewerbeschule für Gastronomie und Ernährung (G 11) bzw. der Staatlichen Gewerbeschule Stahl- und Maschinenbau (G 1) für ein Jahr erprobt. Eine Begleitung der Jugendlichen während der Praxisphasen wird sichergestellt. Weitere Berufe kommen ab August 2011 dazu.
Bessere Durchlässigkeit zum Erwerb höherer Bildungsabschlüsse:
- Zusätzlicher Erwerb der Fachhochschulreife: Ab dem Schuljahr 2010/11 gibt es die Möglichkeit, im Rahmen eines Schulversuchs an vier berufsbildenden Schulen (W 4, W 8, G 15 und H 7) innerhalb von drei Jahren zusätzlich zu einem dualen Ausbildungsabschluss die Fachhochschulreife zu erwerben, indem man an einem um ca. 600 Stunden erweiterten Unterricht teilnimmt. Ab dem Schuljahr 2011/12 wird das Angebot an allen Berufsschulen eingeführt. Auch in den vollqualifizierenden Berufsfachschulen wird der Erwerb der Fachhochschulreife angeboten. Im Schuljahr 2009/10 wurde dieses Angebot in den Berufsfachschulen Freizeitwirtschaft an der Staatlichen Handelsschule Berliner Tor (H 18) und der kaufmännischen Medienassistenz an der Beruflichen Medienschule Hamburg-Wandsbek (H 8) eingeführt. In allen anderen Berufsfachschulen wird dieses Angebot im nächsten Schuljahr schrittweise eingeführt.
- Neue Schulform Berufsoberschule zum Erwerb der Hochschulreife: Im neuen Schulgesetz wurde die Berufsoberschule als neues Angebot für Jugendliche mit einer beruflichen Vorqualifizierung (Berufsausbildung/langjährige Berufstätigkeit) verankert. Zukünftig wird es möglich sein, auf der Grundlage einer Berufsausbildung und einer mindestens fünfjährigen einschlägigen Berufstätigkeit innerhalb von zwei Jahren die Hochschulreife zu erlangen. Die Bildungspläne werden im nächsten Schuljahr erarbeitet, die Einführung der BOS ist für das Schuljahr 2011/12 geplant.
- G 3 mit neuem Angebot für Bäckerei-Azubis mit Fach- und Hochschulreife: Die Staatliche Gewerbeschule Ernährung und Hauswirtschaft (G 3) bietet zum neuen Schuljahr einen auf zwei Jahre komprimierten Bildungsgang an, der in besonderem Maße zur Betriebsführung befähigt. Das Konzept sieht vor, leistungsstarke Auszubildende mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife in besonderen Klassen zu unterrichten. Dabei erhalten sie über den regulären Berufsschulunterricht hinaus eine vertiefte, erweiterte Ausbildung. Aus Anlass des doppelten Abiturienten-Jahrgang in Hamburg starteten die Bäcker-Innung Hamburg, die Konditoren-Innung Hamburg, die G 3 und die Handwerkskammer Hamburg diese gemeinsame Ausbildungsinitiative, um deutlich mehr höher qualifizierte Schulabgänger für das Bäcker- und das Konditoren-Handwerk zu werben
- Berufsausbildung und Bachelor-Examen: Angehende Immobilienkaufleute erhalten ab Herbst 2010 das Angebot, parallel zu ihrer Berufsausbildung das Bachelor-Studium aufzunehmen. Hierzu kooperiert die Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium Schlankreye (H 3) mit der Bochumer Fachhochschule EBZ Business School. So kann man im Alter von etwa 23 Jahren den Lehrabschluss und den Bachelor erwerben. In Hamburg gibt es ähnliche Modelle bisher schon an der Berufsschule für Spediteure (H 14) und für Schifffahrtskaufleute (H 18).
Einführung individualisierter Lehr- und Lernkonzepte an den berufsbildenden Schulen Im Rahmen der Bildungsoffensive des Hamburger Senats hat das HIBB die Entwicklung „individualisierter Lehr- und Lernkonzepte“ mit allen berufsbildenden Schulen in Ziel- und Leistungsvereinbarungen festgeschrieben. Dabei kann auf die Erfahrungen zurückgegriffen werden, die 31 berufsbildenden Schulen in den vergangenen Jahren in Projekten mit Unterstützung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) erarbeitet haben. Die Weiterbildung von rund 60 Lehrerinnen und Lehrern der berufsbildenden Schulen zum Lerncoach werden zusätzlich Impulse geben. In Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität Kiel fanden hierzu zwei einjährige Weiterbildungsstudiengänge statt.
Aufbau eines systematischen Qualitätsmanagements Mit allen Hamburger berufsbildenden Schulen ist der systematische Aufbau eines Qualitätsmanagements bis 2012 vereinbart. Dadurch soll die Unterrichtsqualität systematisch und zielgerichtet verbessert werden. Im Sommer 2009 sind – als erste der Hamburger Schulen – die Handelsschulen Holzdamm (H 11), Anckelmannstraße (H 1), Altona (H 6) und Kellinghusenstraße (H 13) für ihr Qualitätsmanagement mit dem „QZS-Qualitätssiegel“ ausgezeichnet worden. 40 Lehrerinnen und Lehrer aus 23 berufsbildenden Schulen schlossen im September 2009 und im Februar 2010 das berufsbegleitende Zertifikatszusatzstudium zum Gestalter und Berater für schulisches Qualitätsmanagement ab. Das Studium ist in Trägerschaft des Vereins zur Förderung der wissenschaftlichen Weiterbildung der Universität Dortmund e.V. in Kooperation mit der TU Dortmund, dem LI, der Fachhochschule Nordwestschweiz und dem HIBB durchgeführt worden. Das Netzwerk Qualitätsentwicklung unterstützt die berufsbildenden Schulen in der Praxis. Auf bisher fünf Netzwerktreffen mit über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden der fachliche Austausch ermöglicht und „Best Practice“ Beispiele vorgestellt.
Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens Mit Gründung des HIBB wurde gleichzeitig ein kaufmännisches Rechnungswesen in der Zentrale und in den 45 berufsbildenden Schulen eingeführt. Dadurch sind wichtige Grundlagen für ein modernes Finanzcontrolling gelegt. Ab dem Haushaltsjahr 2010 werden alle berufsbildenden Schulen ihre Wirtschaftspläne selbst erstellen und mit den schulischen Gremien abstimmen.
Die erste kaufmännische Gewinn- und Verlustrechnung des HIBB in 2008 wies einen Jahresüberschuss aus, 2009 einen Jahresfehlbetrag von rund 1,9 Millionen Euro, ein gegenüber dem Plan um rund 600.000 Euro besserer Abschluss. Mehraufwendungen im Bereich der Bewirtschaftung, Bauunterhaltung, bezogene Leistungen, Abschreibungen und Beihilfe stehen Mehrerlöse bei den Leistungsentgelten als Folge der Besoldungs- und Tariferhöhungen entgegen. Das Investitionsvolumen liegt in 2008 mit 5,4 Millionen Euro und 2009 mit 6,6 Mio. Euro deutlich über der Veranschlagung von 3,6 Millionen Euro.