06.10.2014

Bundesfachtagung des Pestalozzi-Fröbel-Verbands am 26. und 27.09.14 in der Beruflichen Schule für Sozialpädagogik, Anna-Warburg-Schule

Nach aktuellen Studien wie NUBBEK (2012)  oder der sog. „Viernickelstudie“(2013) begegnet uns eine Vielfalt an Forderungen hinsichtlich der Qualität in Bildung, Erziehung und Betreuung.  Aber verstehen wir alle dasselbe darunter? Und wie sind die Verantwortlichkeiten im Kontext struktureller Rahmenbedingungen und zeitlicher Ressourcen zu sehen? Welches sind die Indikatoren für pädagogische Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung?

Der Pestalozzi-Fröbel-Verband (pfv) stellte diese Fragen bei seiner diesjährigen Bundesfachtagung  an der Beruflichen Schule für Sozialpädagogik – Anna-Warburg-Schule in Hamburg. Durch Impulsvorträge, Foren und Workshops näherten sich die ca. 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen pädagogischen Berufsfeldern diesem Thema.

Nach Grußworten aus dem Familienministerium durch Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek und einer Begrüßung des Senators für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Detlef Scheele, folgten Impulsvorträge von Prof. Dr. Bernhard Kalicki (Deutsches Jugendinstitut DJI) und Prof. em. Peter Moss (Institut für Erziehung an der University of London) entstand ein interessanter Diskurs über die Konzepte und die Sinnhaftigkeit des Qualitätsbegriffes in der frühpädagogischen Arbeit.

Laut Kalicki kann eine wirkliche pädagogische Qualität nur erreicht werden, wenn die verschiedenen Ebenen der Qualitätssicherung strukturell gut miteinander vernetzt sind. Dazu zählen:

  • die Fachpolitik mit rechtlichen und curricularen Vorgaben,
  • die Aus-und Weiterbildung der pädagogischen Kräfte mit dem Fokus auf  dialogischer Erziehung und Bildung statt einer festgelegten Fächerorientierung,
  • die Fachpraxis mit Konzeptionsentwicklung, Teamentwicklung, Selbstevaluierung, kollegialer Beratung, Fachberatung, qualifizierter Leitung, Praxisanleitung,
  • die Ebene der Wissenschaft mit dem Monitoring und empirischer Forschung
    Kalicki bediente dabei den Leitbegriff der entwicklungsangemessenen dialogischen Erziehung und Bildung (Ludwig Liegle), der die Qualität in der frühkindlichen Bildung seiner Meinung nach kennzeichnet.

Prof. em. Peter Moss, der seinen Beitrag als „kritischen Einwurf“ sah, prangerte dagegen eine zunehmende Regulierung von Kindern, Erziehern und Eltern an, die wie in der Wirtschaft oder Technik qualitativ messbar und normiert sei.In seinem Vortrag hinterfragte er die Werte und ethischen Maßstäbe, die der frühkindlichen Bildung zugrunde liegen. Welche Art von Erziehung wünschen wir uns? Und wieviel Kontrolle und Reduktion verträgt die frühkindliche Bildung?

Es gibt, so Moss, nicht die gute Qualität in der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Sie ist nicht normiert und durch Renditen messbar, sondern geprägt durch eine politische und ethische Haltung, die sich durch Demokratie, Experimentierfreude und Potenzialen ausdrückt. Er möchte, dass wir uns entscheiden, über die Qualität hinaus zu gehen(„Beyond Quality“) und sich nicht der faktenbasierten, normativen Evaluation zu unterwerfen. Vielmehr sollen wir uns in einen partizipatorischen Prozess des Dialogs, des Zuhörens, der Konfrontation und Reflexion begeben, wie er uns in der Reggiopädagogik vorgelebt wird. Der lebendige Austausch zeigte deutlich, dass  beide Standpunkte in der Praxis durchaus ihre Anhänger haben.

In verschiedenen Workshops zu dem Thema „Was verstehe ich unter guter Praxis? Was kann ich dazu beitragen?“ diskutierten die Tagungsteilnehmer mit Vertretern aus Wissenschaft, Trägerverbänden, Politik und Ausbildung verschiedene Aspekte der Qualität in der frühkindlichen Bildung.

Prof. em. Dr. Lothar Krappmann (FU Berlin, MPIB, Berlin) sprach zu dem Thema „Kultur, Kultur… Kinderrechte als Qualitätsmerkmal“  und entwickelte den Gedanken der Partizipation anhand der Kinderrechtskonventionen an Orten institutioneller Erziehung weiter.

Detlef Diskowski  (Ministerium f. Bildung, Jugend und Sport des Landes  Brandenburg) eröffnete den zweiten Tag mit dem Impulsvortrag  „Handlungsstrategien und Reformimpulse zur Sicherung der päd. Qualität“. Mit welchen Hemmnissen – ob auf politischer, pädagogisch-fachlicher oder wissenschaftlicher Ebene – müssen wir bei der Weiterentwicklung von Qualität umgehen?  Diskowski plädierte für knappe und normative Vorgaben in den Bildungsplänen. Dieser Standpunkt wurde in der folgenden Diskussion von den Tagungsteilnehmern unterstrichen.

Auch in den Fachforen, die sich mit der Dialogischen Interaktion von Erziehern mit Kindern, mit der Unterstützung der Kind-Kind-Interaktion, mit der Zusammenarbeit mit Eltern oder Familien oder Leitung und Teamentwicklung  beschäftigten, hatten die Teilnehmer der Fachtagung die Möglichkeit, sich auszutauschen und Indikatoren für die pädagogische Qualität zu entwickeln.

Zum Ende der Veranstaltung kamen in einem sog. „Fishbowl“ Vertreterinnen aus der Fachpraxis, von Trägern und Verbänden sowie aus der Ausbildung, Fachberatung und der Politik zusammen, um über die „Gemeinsame Verantwortung von Qualität“  zu sprechen und im Austausch mit den Teilnehmern Ergebnisse und Standpunkte noch einmal zusammen zu bringen. Qualität ist –  das wurde auch bei der Tagung deutlich – ein dynamischer und systemischer Prozess, der mit uns als Pädagogen, als Wissenschaftler, als Politiker und nicht zuletzt natürlich mit den Kindern  ständigen Veränderungen unterliegt.

Bericht: Sabine Gienow, Berufliche Schule Sozialpädagogik – Anna-Warburg-Schule